Artenschutz im EU-Naturschutzrecht

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Artenschutz nach der Habitatrichtlinie
Strenges Schutzsystem (Artikel 12-16 der Habitatrichtlinie)

 

Ziel der Artikel 12 bis 16 der Habitatrichtlinie ist es, ein strenges Schutzsystem für die in Anhang IV Buchstabe a der Habitatrichtlinie genannten Tierarten im gesamten Gebiet der Mitgliedstaaten zu schaffen und umzusetzen.

Artikel 12 und 13 sehen Maßnahmen vor, die ein strenges Schutzsystem für die in Anhang IV der Richtlinie aufgeführten Pflanzen- und Tierarten schaffen sollen.

Artikel 12:
  • 1. Die Mitgliedstaaten treffen die notwendigen Maßnahmen, um ein strenges Schutzsystem für die in Anhang IV Buchstabe a) genannten Tierarten in deren natürlichen Verbreitungsgebieten einzuführen; dieses verbietet:
    (a) alle absichtlichen Formen des Fangs oder der Tötung von aus der Natur entnommenen Exemplaren dieser Arten;
    (b) jede absichtliche Störung dieser Arten, insbesondere während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten;
    (c) jede absichtliche Zerstörung oder Entnahme von Eiern aus der Natur;
    (d) jede Beschädigung oder Vernichtung der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten..
  • 2. Für diese Arten verbieten die Mitgliedstaaten Besitz, Transport, Handel oder Austausch und Angebot zum Verkauf oder Austausch von aus der Natur entnommenen Exemplaren; vor Beginn der Anwendbarkeit dieser Richtlinie rechtmäßig entnommene Exemplare sind hiervon ausgenommen.
  • 3. Die Verbote nach Absatz 1 Buchstaben a ) und b ) sowie nach Absatz 2 gelten für alle Lebensstadien der Tiere im Sinne dieses Artikels.
  • 4. Die Mitgliedstaaten führen ein System zur fortlaufenden Überwachung des unbeabsichtigten Fangs oder Tötens der in Anhang IV Buchstabe a) genannten Tierarten ein. Anhand der gesammelten Informationen leiten die Mitgliedstaaten diejenigen weiteren Untersuchungs- oder Erhaltungsmaßnahmen ein, die erforderlich sind, um sicherzustellen, dass der unbeabsichtigte Fang oder das unbeabsichtigte Töten keine signifikanten negativen Auswirkungen auf die betreffenden Arten haben.

Artikel 12 Absatz 1 der Habitatrichtlinie verbietet das absichtliche Töten oder Fangen von Tierarten, die eines hohen Schutzes bedürfen. Die betroffenen Arten sind in Anhang IV der Richtlinie aufgeführt. Ferner ist auch die absichtliche Störung, die Zerstörung oder Entnahme von Eiern aus der Natur, die Beschädigung oder Vernichtung der Brut- oder Ruhestätten verboten. Absatz zwei der Richtlinie verbietet die Haltung der geschützten Arten oder den Handel mit ihnen.

Mit den in Artikel 12 Absatz 1 festgelegten Verboten soll ein strenger Schutz der Tierarten erreicht werden. Bitte klicken Sie hier für weitere Informationen! Daher muss das in Artikel 12 festgelegte Schutzsystem ausreichend wirksam sein, um die Beeinträchtigung geschützter Tierarten und insbesondere Eingriffe in deren Lebensräume zu verhindern.

Das System des strengen Schutzes setzt die Annahme kohärenter und koordinierter Maßnahmen präventiver Art voraus. Mit anderen Worten, die Mitgliedstaaten dürfen nicht passiv bleiben, sondern müssen die tatsächliche Vermeidung des absichtlichen Fangens oder Tötens in freier Wildbahn sowie die Beschädigung oder Vernichtung von Brut- oder Ruhestätten der Tierarten ermöglichen Bitte klicken Sie hier für weitere Informationen!

Der EuGH hat festgestellt, dass die in Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe d genannten Handlungen nicht nur absichtliche Handlungen, sondern auch nicht vorsätzliche Handlungen umfassen. Bitte klicken Sie hier für weitere Informationen! Indem der Unionsgesetzgeber das in Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe d der Richtlinie festgelegte Verbot nicht auf vorsätzliche Handlungen beschränkt hat, was er in Bezug auf die in Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe a bis c der Richtlinie genannten Handlungen getan hat, hat er seine Absicht dargetan, Brut- oder Ruhestätten einen verstärkten Schutz vor Handlungen zu gewähren, die ihre Beschädigung oder Vernichtung verursachen. Bitte klicken Sie hier für weitere Informationen!

Was den räumlichen Geltungsbereich von Artikel 12 Absatz 1 betrifft, so kennt der durch diese Bestimmung gewährte Schutz grundsätzlich keine Abgrenzungen oder Grenzen und lässt daher nicht den Schluss zu, dass ein wildlebendes Exemplar einer geschützten Tierart, das sich in der Nähe oder innerhalb von menschlichen Siedlungsgebieten befindet, das solche Gebiete durchquert oder sich von Ressourcen ernährt, die der Mensch erzeugt, ein Tier wäre, das sein "natürliches Verbreitungsgebiet" verlassen hat. In der Rechtssache C-88/19 Alian?a pentru combaterea abuzurilor, bestätigte der EuGH, dass das System des strengen Schutzes, das für die in Anhang IV Buchstabe a dieser Richtlinie aufgeführten Arten, wie den Wolf, festgelegt ist, auch für Exemplare gilt, die ihren natürlichen Lebensraum verlassen und sich in menschliche Siedlungen verirren. Folglich umfasst der Ausdruck "natürliches Verbreitungsgebiet" in Bezug auf geschützte Tierarten, die - wie der Wolf - große Lebensräume beanspruchen, mehr als den geografischen Raum, der die für ihr Leben und ihre Fortpflanzung ausschlaggebenden physischen und biologischen Elemente aufweist. Dieses Gebiet entspricht dem geografischen Raum, in dem sich die betreffende Tierart im Rahmen ihres natürlichen Verhaltens aufhält bzw. ausbreitet.

Darüber hinaus gilt das Schutzsystem für Ruhe- und Brutstätten auch dann, wenn die Tiere diese nicht mehr beanspruchen, aber dorthin zurückkehren können. In der Rechtssache C-477/19 Magistrat der Stadt Wienstellte der EuGH fest, dass unter dem Begriff "Ruhestätten" im Sinne dieser Bestimmung auch Ruhestätten zu verstehen sind, die nicht mehr von einer der in Anhang IV Buchstabe a der Richtlinie genannten geschützten Tierarten, wie etwa dem Cricetus cricetus (Feldhamster), beansprucht werden, sofern eine hinreichend hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass diese Art an diese Ruhestätten zurückkehrt, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist. Daher muss das einzelstaatliche Gericht klären, ob die Wahrscheinlichkeit einer Rückkehr der Nagetiere besteht.