Introduction to EU Anti-discrimination Law

SCHMUCKBILD + LOGO

BREADCRUMB

INHALT

Modul 6:
Fallstudie

 

Bedeutung der Begriffe „Behinderung“ und „angemessene Vorkehrungen“

Kaltoft, Rechtssache C-354/13, 18. Dezember 2014

Sachverhalt:
Herr Kaltoft wurde von einer Gemeindebehörde, die Teil der dänischen öffentlichen Verwaltung ist, als Tagesbetreuer eingestellt, der Kinder im eigenen Heim betreut. Er war 15 Jahre lang als Tagesbetreuer tätig, und während dieser gesamten Zeit war er „adipös“ im Sinne der Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Er versuchte mehrmals, Gewicht zu verlieren, auch mit Unterstützung seines Arbeitgebers. Letztendlich gelang es Herrn Kaltoft jedoch nicht, seine Adipositas erfolgreich zu bekämpfen. Kurz vor seiner Entlassung sank die Zahl der Kinder, die er zu betreuen hatte, von vier auf drei. Dies war ein offizieller Grund für eine Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, da er eine Zulassung für die Betreuung von vier Kindern im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit hatte. Herr Kaltoft war jedoch davon überzeugt, dass der wirkliche Grund seine Adipositas war, weil er der einzige Tagesbetreuer war, der zur Entlassung vorgeschlagen wurde.

Feststellungen des Gerichtshofs:
Der Gerichtshof betonte, dass weder der EUV noch der AEUV eine Bestimmung enthält, die eine Diskriminierung wegen Adipositas als solcher verbietet. Ebenso wenig enthält das abgeleitete Unionsrecht ein Verbot einer solchen Diskriminierung. Der Gerichtshof verwies auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, dem die EU beigetreten ist, und erinnerte daran, dass der Begriff „Behinderung“ so zu verstehen ist, dass er eine Einschränkung erfasst, die u. a. auf physische, geistige oder psychische Beeinträchtigungen von Dauer zurückzuführen ist, die in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren den Betreffenden an der vollen und wirksamen Teilhabe am Berufsleben, gleichberechtigt mit den anderen Arbeitnehmern, hindern können. Der Gerichtshof führte aus, dass festzustellen sei, dass Adipositas als solche keine „Behinderung“ im Sinne der Richtlinie 2000/78 ist. Dagegen fällt die Adipositas eines Arbeitnehmers, wenn sie Einschränkungen mit sich bringt, die unter das UN Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen fallen und ihn an der vollen und wirksamen Teilhabe am Berufsleben, gleichberechtigt mit den anderen Arbeitnehmern, hindern (und diese Einschränkung von langer Dauer ist), unter den Begriff „Behinderung“ im Sinne der Richtlinie 2000/78.

Konsequenzen:
Der Gerichtshof entschied, dass es Sache des nationalen Gerichts ist, zu prüfen, ob die Adipositas von Herrn Kaltoft die Voraussetzungen des UN-Übereinkommens erfüllt und zu all den Einschränkungen in seinem Berufsleben geführt hat. Der Gerichtshof begründete ein hohes Schutzniveau gegen Diskriminierung wegen einer Behinderung, indem er anerkannte, dass Behinderung in vielfältiger Form auftreten kann, sofern sie Einschränkungen erfasst, die u. a. auf physische, geistige oder psychische Beeinträchtigungen von Dauer zurückzuführen ist, die in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren den Betreffenden an der vollen und wirksamen Teilhabe am Berufsleben, gleichberechtigt mit den anderen Arbeitnehmern, hindern können.