Grenzüberschreitende Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen in Europa

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Zugang zum Recht, Prozesskostenhilfe

 

Artikel 44 bis 47 der Unterhaltsverordnung haben das Ziel, einen effektiven Zugang zum Recht der in einem unter die Verordnung fallenden Rechtsstreit befindlichen Parteien zu garantieren. Um einen effektiven Zugang zum Recht sicherzustellen, sind die Mitgliedstaaten gehalten, Prozesskostenhilfe nach Kapitel V (siehe Artikel 44 Abs. 2) zu gewähren. Keine Verpflichtung, Prozesskostenhilfe zu gewähren, hat indes ein Mitgliedstaat in den von Kapitel VII (Kapitel über die Zusammenarbeit von Zentralen Behörden) erfassten Fällen, „wenn und soweit die Verfahren in diesem Mitgliedstaat es den Parteien gestatten, die Sache ohne Prozesskostenhilfe zu betreiben, und die zentrale Behörde die nötigen Dienstleistungen unentgeltlich erbringt“ Artikel 44 Abs. 3 ). In jedem Fall dürfen die Voraussetzungen für den Zugang zur Prozesskostenhilfe nicht enger als diejenigen gefasst werden, die für vergleichbare innerstaatliche Fälle gelten ( Artikel 44 Abs. 4). Artikel 44 Abs. 5 stellt darüber hinaus klar, dass „in Verfahren, die Unterhaltspflichten betreffen, für die Zahlung von Verfahrenskosten keine Sicherheitsleistung oder Hinterlegung gleich welcher Bezeichnung auferlegt wird“.

Nach Artikel 45 der Unterhaltsverordnung wird Prozesskostenhilfe wie folgt definiert: „die Unterstützung, die erforderlich ist, damit die Parteien ihre Rechte in Erfahrung bringen und geltend machen können und damit sichergestellt wird, dass ihre Anträge, die über die Zentralen Behörden oder unmittelbar an die zuständigen Behörden übermittelt werden, in umfassender und wirksamer Weise bearbeitet werden“. Prozesskostenhilfe kann folgendes umfassen:

  • vorprozessuale Rechtsberatung im Hinblick auf eine außergerichtliche Streitbeilegung;
  • Rechtsbeistand bei Anrufung einer Behörde oder eines Gerichts und die rechtliche Vertretung vor Gericht;
  • Befreiung von oder Unterstützung bei den Verfahrenskosten;
  • Dolmetscherleistungen;
  • Übersetzung der vom Gericht oder von der zuständigen Behörde verlangten und Schriftstücke; etc.
(für weitere Informationen siehe Artikel 45 der Unterhaltsverordnung.)

Ein großer, durch die Unterhaltsverordnung (und auf universeller Ebene durch das Haager Übereinkommen von 2007) erreichter Fortschritt ist die Garantie der kostenlosen Prozesskostenhilfe in Kindesunterhaltssachen. Artikel 46 Abs. 1 der Unterhaltsverordnung fordert unentgeltliche Prozesskostenhilfe vom ersuchten Mitgliedstaat für alle Anträge des Unterhaltsberechtigten an die Zentralen Behörden nach Artikel 56 von einem Unterhaltsberechtigten „in Bezug auf Unterhaltspflichten aus einer Eltern-Kind-Beziehung gegenüber einer Person, die das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hat“. Die Ablehnung der unentgeltlichen Prozesskostenhilfe bei Kindesunterhaltssachen „in Bezug auf andere Anträge als solche nach Artikel 56 Absatz 1 Buchstaben a und b“, ist nur möglich, „falls der ersuchte Mitgliedstaat den Antrag oder einen Rechtsbehelf für offensichtlich unbegründet erachtet“, siehe Artikel 46 Abs. 2 der Verordnung.

In Fällen, die nicht unter Artikel 46 fallen, kann vorbehaltlich der Artikel 44 und 45 „die Gewährung der Prozesskostenhilfe gemäß dem innerstaatlichen Recht insbesondere von den Voraussetzungen der Prüfung der Mittel des Antragstellers oder der Begründetheit des Antrags abhängig gemacht werden“, Artikel 47 Abs. 1. Ist einer Partei im Ursprungsmitgliedstaat ganz oder teilweise Prozesskostenhilfe oder Kosten- und Gebührenbefreiung gewährt worden, „so genießt sie in jedem Anerkennungs-, Vollstreckbarerklärungs- oder Vollstreckungsverfahren die günstigste oder umfassendste Behandlung, die das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats vorsieht“, Artikel 47 Abs. 2. Dasselbe gilt, wenn eine Partei im Ursprungsmitgliedstaat ein unentgeltliches Verfahren vor einer in Anhang X aufgeführten Verwaltungsbehörde in Anspruch genommen hat, für weitere Informationen siehe Artikel 47 Abs. 3.

Wie oben erwähnt, stellt die Aufnahme von weitreichenden Prozesskostenhilfebestimmungen und insbesondere die Garantie der unentgeltlichen Unterstützung bei Kindesunterhaltssachen im Haager Übereinkommen von 2007 für Unterhaltsberechtigte einen wichtigen Fortschritt bei der grenzüberschreitenden Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen dar. Ähnlich wie Artikel 44 der Unterhaltsverordnung fordert das Haager Übereinkommen von 2007 die Vertragsstaaten auf, „effektiven Zugang zu den Verfahren" über Anträge nach Kapitel III des Übereinkommens durch Gewährung „unentgeltlicher Rechtshilfe“ nach Artikel 14-17 des Übereinkommens zu gewähren. Der Begriff der Rechtshilfe ist in Artikel 3 c) des Übereinkommens definiert. Für weitere Informationen zur „unentgeltlichen Rechtshilfe“ siehe Artikel 14-17 des Übereinkommens und Borrás/Degeling - Erläuternder Bericht zum Haager Übereinkommen von 2007, Nummer 356 ff. Siehe auch Praxishandbuch für Sachbearbeiter nach dem Haager Übereinkommen von 2007 (endgültige Version wird 2012 veröffentlicht).