Allgemeine Grundsätze
Wirksamkeit
Nach dem in Artikel 4 Absatz 3 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) verankerten Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, den Bestimmungen des Unionsrechts in vollem Umfang Geltung zu verschaffen. Dies bedeutet, dass sie das nationale Recht im Einklang mit dem Unionsrecht auslegen, die Anwendung jeder entgegenstehenden Bestimmung des nationalen Rechts verweigern (siehe oben) und auch die unrechtmäßigen Folgen eines Verstoßes gegen das Unionsrecht beseitigen müssen. Eine solche Verpflichtung besteht im Rahmen seiner Zuständigkeit für jedes Organ des betreffenden Mitgliedstaates (Rechtssache C-72/95 Kraaijeveld u.a., Randnr. 61; Rechtssache C-435/97 WWF u.a., Randnr. 71).
In der Rechtssache C-201/02 Wells befand der EuGH, dass es Sache der zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats ist, im Rahmen ihrer Zuständigkeiten alle erforderlichen allgemeinen oder besonderen Maßnahmen zu treffen, damit die Projekte im Hinblick darauf überprüft werden, ob bei ihnen erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt zu befürchten sind, und damit sie bejahendenfalls auf diese Auswirkungen hin untersucht werden. Begrenzt durch den Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten, sind derartige Maßnahmen beispielsweise die Rücknahme oder die Aussetzung einer bereits erteilten Genehmigung zu dem Zweck, eine Umweltverträglichkeitsprüfung des Projekts durchzuführen.
Der Effektivitätsgrundsatz bedeutet auch, dass die Verfahrensmodalitäten der Rechtsbehelfe, die den Schutz der dem Bürger aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, die Ausübung dieser Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren dürfen (Rechtssache C-71/14 East Sussex County Council, Randnr. 54-55; Rechtssache C-416/10 Križan, Randnr. 106).
In der Rechtssache C-115/09 Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Landesverband Nordrhein-Westfalen vertrat der EuGH die Auffassung, dass es den Umwelt-NGOs möglich sein muss, dieselben Rechte geltend zu machen wie ein Einzelner, und dass es zum einen dem Ziel, der betroffenen Öffentlichkeit „einen weiten Zugang zu Gerichten“ zu gewähren, und zum anderen dem Effektivitätsgrundsatz widerspräche, wenn die betreffenden Verbände nicht auch eine Verletzung von aus dem Umweltrecht der Union hervorgegangenen Rechtsvorschriften geltend machen können, nur weil Letztere Interessen der Allgemeinheit schützen (siehe auch Rechtssache C-570/13 Gruber, betreffend die Rechte des Einzelnen).
Die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, das im Unionsrecht vorgesehene Ziel zu erreichen, bedeutet auch, dass sie sicherzustellen haben, dass Verstöße gegen das Unionsrecht nach ähnlichen sachlichen und verfahrensrechtlichen Regeln geahndet werden wie nach Art und Schwere gleichartige Verstöße gegen nationales Recht, wobei die Sanktion jedenfalls wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein muss (siehe Schlussanträge des GA in Rechtssache C-304/02 Kommission gegen Frankreich).