Einleitung
Die wirksame Anwendung des Unionsrechts kann nicht durch die EU und ihre Gerichte allein gewährleistet werden. Sie hängt stark von innerstaatlichen Gerichten und Einzelpersonen ab, die Verfahren vor diesen Gerichten anstrengen, um ihre Rechte nach Unionsrecht durchzusetzen (Rechtssache 26/62 Van Gend & Loos). Daher sind die Richter der innerstaatlichen Gerichte zugleich europäische Richter. Sie wenden nicht nur innerstaatliches Recht an, sondern auch Unionsrecht. Der EuGH arbeitet im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens mit den innerstaatlichen Gerichten zusammen. Eine weitere Quelle für die Auslegung des Unionsrechts sind Urteile, die im Rahmen von Vertragsverletzungsverfahren, insbesondere im Umweltbereich, ergangen sind. Zu den Rechtsvorschriften über die Luftqualität siehe die Rechtssachen C-365/10 Kommission gegen Slowenien, C-479/10 Kommission gegen Schweden, C-34/11 Kommission gegen Portugal, C-638/18 Kommission gegen Rumänien (Überschreitung der Grenzwerte für die PM10-Konzentration in der Luft) und andere unten genannte Rechtsprechung.
Die einzelstaatlichen Richter dürfen die EU-Vorschriften nicht wegen der Schwierigkeiten bei der Umsetzung und der wirksamen Anwendung in den Mitgliedstaaten (z. B. sozioökonomische Lage, umfangreiche Investitionen und strukturelle Veränderungen oder technische Schwierigkeiten) außer Acht lassen. Dem EuGH zufolge ist es unerheblich, ob die Nichterfüllung der Verpflichtungen auf Vorsatz oder Fahrlässigkeit des verantwortlichen Mitgliedstaats oder aber auf technische Schwierigkeiten zurückzuführen ist, auf die er gestoßen ist. Ein Mitgliedstaat, der vorübergehend auf unüberwindbare Schwierigkeiten stößt, die ihn daran hindern, seinen Verpflichtungen aus dem Unionsrecht nachzukommen, kann sich nur für den Zeitraum auf höhere Gewalt berufen, der zur Behebung dieser Schwierigkeiten erforderlich ist (Rechtssache C-68/11, Kommission gegen Italien, Rechtssache C-488/15, Kommission gegen Bulgarien, Rechtssache C-336/16, Kommission gegen Polen, betreffend Grenzwerte für die Konzentration von PM10 in der Luft).