Allgemeiner Überblick über die Rechtsvorschriften im Bereich Luftqualität
Die EU bietet einen komplexen Rechtsrahmen, der sich auf Richtlinien als wichtigstes Rechtsinstrument stützt. Das Unionsrecht überlässt den Mitgliedstaaten die Wahl der Mittel zur Einhaltung der auf Unionsebene vereinbarten Grenzwerte. Für die wichtigsten Verschmutzungsquellen kommen Normen auf EU-Ebene zur Anwendung, um ein effizientes Funktionieren des Binnenmarktes zu gewährleisten. Nach Artikel 193 des AEUV hat jeder Mitgliedstaat das Recht, strengere Vorschriften beizubehalten oder einzuführen, um die menschliche Gesundheit oder die Umwelt vor Luftverschmutzung zu schützen. Die Maßnahmen der Union stellen somit ein gemeinsames Mindestmaß an Schutz dar, ermöglichen es aber jedem Mitgliedstaat, die Luftverschmutzung wirksam zu bekämpfen.
Die derzeitige Luftreinhaltepolitik kann in drei Hauptsäulen unterteilt werden:
- Die erste Säule umfasst die Luftqualitätsnormen, die in den Luftqualitätsrichtlinien (im Mittelpunkt stehen die Richtlinien 2008/50/EG und 2004/107/EG) für bodennahes Ozon, Feinstaub, Stickoxide, gefährliche Schwermetalle und eine Reihe anderer Schadstoffe festgelegt sind. Diese Luftqualitätsnormen sollten von allen Mitgliedstaaten in ihrem gesamten Hoheitsgebiet – je nach Schadstoff – ab 2005 oder 2010 erreicht werden. Eine Verlängerung der Frist war nur unter bestimmten Umständen möglich. Bei Überschreitung der festgelegten Grenzwerte müssen die Mitgliedstaaten Luftqualitätspläne mit Maßnahmen verabschieden, die dazu geeignet sind, den Zeitraum der Überschreitung so kurz wie möglich zu halten.
- Die zweite Säule besteht aus nationalen Emissionsminderungszielen, die in der Richtlinie über nationale Emissionshöchstmengen (2001/81/EG) festgelegt sind, die für die wichtigsten grenz-überschreitenden Luftschadstoffe – Schwefeloxide, Stickoxide, Ammoniak, flüchtige organische Verbindungen und Partikel – konkrete Obergrenzen für spezifische Emissionen im Bereich jedes einzelnen Mitgliedstaats (nationale Emissionshöchstmengen) vorgibt. Die nationalen Emissionsminderungsziele wurden kürzlich überarbeitet und beinhalten jetzt neue Grenzwerte, die 2020 und 2030 eingehalten werden müssen, sowie einen zusätzlichen Schadstoff – Feinstaub (PM2,5). Die Mitgliedstaaten mussten bis zum Jahr 2019 nationale Programme zur Luftreinhaltung erstellen, um ihre Verpflichtungen im Bereich Emissionsminderung zu erfüllen.
- Die dritte Säule (Emissionsnormen für wichtige Verschmutzungsquellen) nimmt die Industrie in die Pflicht, indem sie Emissionsnormen für industrielle Starkverschmutzer festlegt. Sie umfasst Emissionsnormen für wichtige Verschmutzungsquellen, von Fahrzeug- und Schiffsemissionen bis hin zu Energie und Industrie. Diese Normen sind auf Unionsebene in Rechtsvorschriften für Industrieemissionen (Richtlinie 2010/75/EU über Industrieemissionen), Emissionen aus Kraftwerken (Richtlinie 2010/75/EU über Industrieemissionen und Richtlinie 2015/2193/EU mittelgroße Feuerungsanlagen), Fahrzeuge (Verordnung Nr. 2019/631 zur Festsetzung von CO2-Emissionsnormen für neue Personenkraftwagen und für neue leichte Nutzfahrzeuge) und Kraftstoffe (Richtlinie 98/70/EG über die Kraftstoffqualität) sowie die Energieeffizienz von Produkten (Ökodesign-Richtlinie 2009/125/EG) festgelegt.
Ergänzt wird dies durch die ehrgeizigen Bestrebungen des Green Deal, der für 2020 angekündigt wurde und die angestrebte nachhaltige Transformation der EU fördern soll. Dieser Plan, der als Ausgangspunkt für die weitere Entwicklung der Unionspolitik dient, steht in direktem Zusammenhang mit den Nachhaltigen Entwicklungszielen (Sustainable Development Goals, SDG) und beinhaltet eine Null-Toleranz-Politik für Luftverschmutzung, um den bereits umfassenden Rechtsrahmen für den Schutz der sauberen Luft in der Union zu stärken.
Darüber hinaus wurde nach dem Skandal um die Fahrzeugemissionen im Jahr 2015 das Paket der Vorschriften in Bezug auf Emissionen im praktischen Fahrbetrieb (Verordnung 2016/427, Verordnung 2016/646 – siehe Rechtssache C-177/19 P Ville de Paris u.a. gegen Kommission, Verordnung 2017/1154) erlassen, um sicherzustellen, dass die Normen für Luftschadstoffemissionen ordnungsgemäß umgesetzt und die Anforderungen für die Typgenehmigung verschärft werden. Dieses Paket umfasst Prüfungen für Stickoxid- und Partikelemissionen sowie anstehende neue Vorschriften betreffend Übereinstimmung bereits in Betrieb befindlicher Fahrzeuge, um deren Prüfung zu verbessern. Die letzten Änderungen wurden am 3. Mai angenommen, um die technischen Unsicherheitsmargen bei der Prüfung der Emissionen im praktischen Fahrbetrieb weiter zu verringern, die Emissionsprüfungen von bereits zugelassenen Fahrzeugen zu verstärken und die Prüfung durch unabhängige und akkreditierte Dritte einzuführen. Darüber hinaus gilt für neue Typen von leichten Nutzfahrzeugen seit September 2017 ein neues Prüfverfahren für die Typgenehmigungsprüfung im Labor, das näher an den praktischen Fahrbedingungen liegt (das sogenannte Worldwide harmonised Light vehicles Test Procedure – WLTP).