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Key aspects of the UNCRPD: development, purpose, general principles and key concepts

Video podcast Prof Dr Theresia Degener
(23 January 2013)

Vielen Dank Gauthier, ich werde in Deutsch sprechen. Ich bedanke mich für die Einladung zu diesem Seminar, ich bin eine große Anhängerin der Europäischen Rechtsakademie und hatte bisher noch nicht die Gelegenheit den Einladungen zu folgen, und bin froh dass ich es diesmal schaffe und bin zum ersten Mal hier, und bin sehr aufgeregt heute den Vortrag halten zu dürfen. Ich werde über die Behindertenrechtskonvention sprechen die ich im Folgen abkürzen werde als BRK, im englischen ist es CRPD, aber im Deutschen ist es BRK. Ich habe die Tendenz zu schnell zu sprechen und auch zu lang, deswegen muss Gauthier sehr aufpassen dass ich nicht zu lang rede, und André oder das Publikum, wenn Sie merken die Übersetzung kommt nicht mit, bitte mir ein Zeichen geben.

Als Mitverfasserin der Konvention und als Mitglied der Bewachungsausschuss in Genf habe ich auch die ehrenvolle Aufgabe in die Konvention einzuführen. Ich werde dazu im den nächsten 45 Minuten über vier Punkte reden:

  • Erstens über den Hintergrund der Konvention
  • Zweitens über den Zweck
  • Dann über die allgemeinen Prinzipien
  • Und schließlich über die Schlüsselbegriffe und Konzepte.

Ich komme zum Hintergrund. Der Hintergrund der BRK fängt in 90er-80er an. In dieser Dekade verzog sich auf internationaler Ebene ein Paradigmenwechsel in der internationalen Behindertenpolitik, von einer Politik der Fürsorge, zu einer Politik der Gleichstellung der behinderten Menschen genannt wird. 1981 war das UNO-Jahr der Behinderten. Das sind vielen Ländern der erste Anstoß für eine Entwicklung einer Behindertenpolitik, aber war auf für die Selbstorganisation behinderter Menschen. In der Präsentation sehen Sie zum Beispiel ein Foto von dem Krüppeltribunal 1981, das in Deutschland damals von politisch- aktiven behinderten Menschen, unter anderem auch von mir durchgeführt wurde, und auf den Menschenrechtsverletzungen an behinderten Menschen angeklagt wurden. Wir hatten es damals ganz provokativ „Krüppeltribunal“ genannt weil wir gesagt haben „Wir werden nicht als Behinderte, sondern als Krüppel behandelt, und dann nennen wir es auch so“. Das war zugleich der Beginn einer politischen Behindertenbewegung in Westdeutschland, vergleichbare Entwicklung gab es in vielen anderen Ländern auf der Welt. In der an sich anschließenden UNO-Dekade der Menschen mit Behinderungen von 1983 bis 1993 gab es zwei Vorstöße für eine Konvention: Italien und Schweden haben beide einen Antrag oder ein entsprechenden Entwurf einer Resolution in der Generalversammlung der Vereinigten Nationen eingebracht. Es konnte jedoch damals keine Mehrheit gefunden werden, und so endete die Dekade mit der Verabschiedung eines weichen Völkerrechtsquelle, einen „Soft Law“: „The Standard Rules on Equalisation of Opportunities for Persons with Disabilities“ 1993. Einen weiteren Meilenstein auf dem Weg zur Konvention, zur BRK setzte eine Studie, die mein Kollege Gerard Quinn aus Irland, und ich, zusammen mit weiteren Juristen und Juristinnen 2001 im Auftrag des Hohen Kommissariats für Menschenrechte erstellten. Wir untersuchten damals die sechs () Menschenrechtsverträge also: Kinderrechtskonvention, Frauenrechtskonvention, Zivilpakt und so weiter, auf die Frage hinwie denn diese Kern-Menschenrechtsverträge auf behinderte Menschen angewandt werden und unsere Studie ergab dass wir behinderte Menschen nicht mehr unsichtbare Menschenrechtsträger sind, sondern aber immer noch das medizinische Modell bei der Umsetzung dieser Kern-Menschenrechtsverträge vorherrschte, und wir empfahlen damals die Verabschiedung einer Menschenrechtskonvention für behinderte Menschen. Und zwar bezogen wir uns darauf übrigens auch auf das Abschlussdokument der Weltkonferenz gegen Rassismus in Durban 2001. Dort wurde auch schon zum ersten Mal in einem UNO-Dokument eine UN-Menschenrechtskonvention gefordert. Und viele andere internationale Behindertenverbände hatten zur Jahrtausendwende eine ähnliche Initiative gestattet, und Mexico war dann fast zeitgleich mit der Vorstellung unserer Studie in der Öffentlichkeit, war Mexiko zeitgleich in der Generalversammlung der Vereinten Nationen erfolgreich mit einer entsprechenden Resolution zur Verabschiedung einer Menschenrechtskonvention für behinderte, und dann wurde auf Grund dieser Resolution 2001 der sogenannte ad hoc Ausschuss in New York eingerichtet, der zwischen 2002 und 2006 dann die Menschenrechtskonvention für Behinderte ausarbeitete. Während dieser vier Jahre traf sich dieser ad hoc Ausschuss in insgesamt acht Sitzungen, zwei bis drei Wochen in New York, und der erste Entwurf der Konvention wurde von einer 40-köpfigen Delegation oder Arbeitsgruppe ausgearbeitet und bereits die Zusammensetzung dieser Arbeitsgruppe war sehr interessant weil es abwich von den sonstigen Gremien die Menschenrechtsquellen machten. Es waren nicht nur Staatenvertreter, also 27 Staatenvertreter, sondern darin auch Vertreter von 12 Nichtregierungsorganisationen und ein Nationales Menschenrechtsinstitut hatte einen Sitz in dieser Arbeitsgruppe. Auch das was ein Novum in der Geschichte der Menschenrechtsquellen der Vereinten Nationen. Wer waren die Akteure und Akteurinnen in diesem ad-hoc Ausschuss? Sie sehen übrigens in der Präsentation Fotos, die nicht sehr professionell gemacht wurden, sondern ich habe sie mit meiner Digitalkamera gemacht, aber ich wollte einen Eindruck geben wie der Raum aussah, in dem wir uns vier Jahre in New York trafen, also das sind Fotos aus diesen Sitzungen. Aber zurück zu der Frage: wer waren die Akteure und Akteurinnen? Von den damals, also selbstverständlich waren Regierungsdelegationen aktiv, und zwar nicht wenige. Von den damals 192 VN-Mitgliedsstaaten, oder UNO-Mitgliedsstaaten, nach meiner Schätzung nahmen zirka 120 Staaten teil, dazu kamen die Organisationen der Vereinigten Nationen wie das Office of the High Commission on Human Rights, Weltgesundheitsorganisation, Welt Bank und viele andere. Ich habe sie dort abgekürzt, in kurzer Fassung aufgeführt. Dann gab es erstmalig auch, nahmen eine stattliche Anzahl nationaler Menschenrechtsinstitutionen an den Verhandlungen teil, und über 400 Nichtregierungsorganisationen waren akkreditiert. Das heißt, Sie können sich vorstellen, es kamen sehr viele Menschen zusammen. Im Jahre 2002, waren es etwa 100 Personen im Raum. Als wir in 2006 unsere Arbeit beendeten waren über 900 Menschen im Raum. Sie können sich vorstellen wie schwierig es war in Konsens zu erzielen, wer schon einmal mit mehr als 2 Juristen im Raum versucht hat einen Rechtstext zu erstellen weiß wie schwierig es ist einen Konsens zu finden. Bei einer internationalen Menschenrechtskonvention kommen als weitere Schwierigkeit, alle aktuellen politische Konflikte hinzu, und ausgesprochen bemerkenswert war allerdings der hohe Anteil an Behindertenexperten und Expertinnen, in dem ad hoc Ausschuss, und zwar nicht nur an der Seite der NGOs wo man es vielleicht erwarten würde, sondern sehr viele Regierungsdelegationen, ich war zum Beispiel Mitglied der Deutschen Regierungsdelegation, hatten behinderte Experten und Expertinnen eingeladen mit nach New York zu kommen. Gleiches gilt für die UN Behörden, UN Organisationen, und für die nationalen Menschenrechtsinstitutionen. Wie effektiv der ad hoc Ausschuss, insbesondere der Leitung des Neuseeländischen Botschafters Don McKay in den vier Jahr gearbeitet hat, lässt sich daran ablesen das die BRK in der kürzesten Verhandlungszeit in der Geschichte der Menschenrechtsverträge, und mit dem höchsten Akzeptanzgrad erarbeitet wurde. Bis heute haben 155 Mitgliedsstaaten unterzeichnet und 127 ratifiziert. Das Fakultativprotokoll, das unter anderem das Indvidualbeschwerdeverfahren regelt, wurde von 91 Staaten unterzeichnet und von 76 Mitglieder ratifiziert.

Ich komme zum Zweck der Behindertenrechtskonvention. Wie die meisten internationalen Menschenrechtskonventionen enthält die BRK einen Zweck den der erste Absatz Artikel 1 formuliert. Dort heißt es „Zweck diese Übereinkommens ist es, den vollen und gleichberechtigten Genuss aller Menschenrechte und Grundfreiheiten durch alle Menschen mit Behinderungen zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten und die Achtung der ihnen innewohnenden Würde zu fördern…“ Dieser klare Satz enthält mehrere wichtige Aussagen. Erstens sollen alle Menschen mit Behinderungen den Genuss alle ihrer Menschenrechte bekommen, nicht nur die Gruppe der Behinderungen die sich bereits in der Nichtbehindertenwelt bewährt haben, sich also integriert und entsprechende Leistungen vollbracht haben. Das Wesen der Menschenrechte besteht gerade darin das sie nicht geliehen oder gar verdient werden. Menschenrechte kommen uns qua Geburt zu und sie können auch nicht wieder entzogen werden. Die Geschichte zeigt jedoch dass Menschenrechte immer und wieder, immer wieder und überall auf der Welt vorenthalten, verzogen und verletzt werden. Das gilt für behinderte Menschen sowie für nichtbehinderte Menschen selbstverständlich, aber behinderte Menschen sind aus zwei Gründen besonders vulnerabel wenn es um Menschenrechtsverletzungen geht. Zunächst einmal gilt ein Leben mit Behinderungen als weniger wertvoll. Das haben () und extrem die Nationalsozialisten mit ihrer Tötungs- und Euthanasiepolitik gezeigt, aber unterschwellig herrscht diese Vorstellung noch heute vor, wie wir im Raum von Euthanasie- und Bioethikdebatten immer wieder feststellen müssen. Der zweite Grund für die erhöhte Gefahrdung von behinderten Menschen bei Menschenrechtsverletzungen liegt in der Annahme einer vorhandenen Behinderung können Menschenrechtsfähigkeit beeinträchtigen. Diese Vorstellung das behinderte Menschen auf Grund ihrer körperlichen, geistigen, oder psychischen Beeinträchtigungen alle oder bestimmte Rechte nicht wahrnehmen können ist heute noch verbreitet. Das trifft am besondersten Mehrfach- und Schwerbehinderte Menschen denen oft nicht nur das Wahlrecht, sondern das Recht auf Familiengründung, das Recht auf selbstbestimmtes Leben in der Gemeinde vorenthalten wird, sondern mitunter das Recht auf Gleichberechtigte medizinische Versorgung, und das selbstverständige Rechts auf Leben tangieren kann.

Artikel 1 BRK bringt ausdeutlich zum Ausdruck dass Menschenrechte nicht Behinderungen oder Gesundheit nicht voraussetzen. Damit ist auch die Vorstellung behinderte Menschen aufgrund ihrer Beeinträchtigungen nicht alle Menschenrechte wahrnehmen eine Absage erteilt. Diese normative Aussage ist übrigens in der BRK erstmals in einer verbindlichen Menschenrechtsquelle statuiert geworden, und stellt deswegen eine Weiterentwicklung, beziehungsweise Revidierung älteren Völkerrechts dar. Die Behindertendeklaration aus den 70er Jahren der Vereinten Nationen lassen Zweifel, oder ließen Zumindest Zweifel an der vollen Menschenrechtsfähigkeit behinderter Menschen aufkommen. Die Zweite wichtige Aussage in dem Zweck der Konvention besteht in der Garantie des vollen und gleichberechtigten Genusses aller Menschenrechte und Grundvorhalten für behinderte Menschen. Auch diese klare Aussage ist angesichts der bereits ausgeführten Vorstellung von behinderten Menschen als beeinträchtigte Rechtsobjekte bitter notwendig. Behinderte Menschen haben also nicht nur Anspruch an ein Bisschen, oder an einige Menschenrechte, sondern auf alle Menschenrechte die nichtbehinderte wie selbstverständig für sich in Anspruch nehmen. Der Maßstab der Menschenrechtsgewährung für behinderte Menschen hat sich damit verschoben. Der gleichberechtigte und volle Genuss aller Menschenrechte wie sie Nichtbehinderte gewährt werden ist das Maß aller Dinge. Auch in der Behindertenpolitik und in der Behindertenhilfe und was das im Einzelnen bedeutet wird in der materiellen BRK ausbuchstabiert. Diese unterscheiden sich bekanntlich nicht besonders von denen Menschenrechte die bereits in der Menschenrechtscharta, also der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und die beiden Mutternormen internationaler Zivilpakt und internationaler Sozialpakt vorhanden sind. Es sollte auch für die BRK keine neuen Menschenrechte geschaffen werden, inmit der neuen BRK keine neuen Menschenrechte geschaffen werden, sondern der allgemein anerkannte Katalog der Menschenrechte sollte auf den Kontext Behinderung zugeschnitten werden. Was heißt das konkret? Wenn Sie sich zum Beispiel das Recht auf Meinungsfreiheit anschauen in Artikel 19 der allgemeinen Menschenrechtserklärung, oder Artikel 19 des CCPR ist es auch, dann können Sie dort lesen dass das Recht, ich zitiere „Die unbehinderte Meinungsfreiheit und die Freiheit sich Informationen und Gedanken durch jedes Angebot zu beschaffen und zu empfangen und weiterzugeben umfasst“. Fast die gleichen Worte können sie in Artikel 21 BRK lesen, aber dort finden Sie auch das Recht auf barrierefreien Zugang auf Informationen, das Recht auf die Nutzung von (Gebersprache) und andere alternative Kommunikationsformen und weitere Zuschneidungen des Rechts auf den Kontext von Behinderung. Der volle und gleichberechtige Genuss aller Menschenrechte durch behinderte Menschen bedeutet auch das die Welt sich ändern muss. Es bedeutet dass Strukturen und Institutionen der Exklusion beseitigt werden müssen, das neue Zauberwort, wie Sie alle wissen, heißt „Inklusion“. Dieses finden wir in den allgemeinen Prinzipien der BRK, womit ich zu meinem nächsten Punkt komme, und hier werde ich jetzt auf den Hinweis der Übersetzer meinen Text kürzen weil ich sehe dass ich mit der Zeit nicht klarkomme. Ich werde also die allgemeinen Prinzipien kurz benennen auf der Folie 3 sind sie aufgeführt.

Es gibt acht Prinzipien, die sozusagen neben dem Zweck der Konvention den Geist der Konvention darstellen. Und die acht Prinzipien sind:

  • Die Anerkennung der Menschenwürde und der Respekt vor der Menschenwürde, inklusive Autonomie, eigene Entscheidungen zu fällen, die Freiheit zu fällen.
  • Das zweite Prinzip ist die Nichtdiskriminierung
  • Drittes Prinzip: Partizipation und Inklusion
  • Viertes die Achtung vor Differenz und Behinderung als Teil menschlicher Vielfalt, und Behinderungen sehen nicht mehr als Defizit, sondern als teil menschlicher Vielfalt
  • Chancengleichheit
  • Barrierefreiheit oder Zugänglichkeit kann man auch sagen
  • Geschlechtergleichheit, oder Geschlechtergleichberechtigung
  • Und die Kindergerechtigkeit.

Diese acht Prinzipien stellen neben dem Zweck der Konvention den Geist dar, und weil nicht nur das Prinzip der Nichtdiskriminierung als allgemeines Prinzip festgehalten wurde, sondern auch noch das Prinzip der Chancengleichheit, der Barrierefreiheit und so weiter, ist davon auszugehen das die BRK ein Verständnis der Gleichheit, der substantiellen Gleichheit, nicht nur der formalen Gleichheit enthält. Formale Gleichheit bringt Behinderten meistens nichts. Was wir brauchen ist ein Verständnis von Gleichheit als materielle oder substantielle Gleichheit. Diese Gleichheit umfasst den Abbau von Barrieren, es umfasst weitere Aspekte auf die ich gleich zu sprechen komme in meinem vierten Punkt.

Welches sind nun die Schlüsselbegriffe und Konzepte…bevor ich dazu hingehe wollte ich noch einen Punkt aufgreifen, nämlich nochmal auf den Punkt der Inklusion. Ich möchte einen kleinen Exkurs auf den Begriff der Inklusion nehmen. Ich hatte ihnen bereits als das neue Zauberwort bezeichnet, dieser Begriff der aus der modernen Behindertenpolitik nichtmehr hinwegzugehen bedenken. Das stimmt besonders für Deutschland, da die Distinktion der BRK fast den Eindruck erweckt dass stünde in der BRK nichts anderes als dieser Begriff. Dabei ist leicht anhand des Textes der BRK festzustellen dass es weder eine Definition von Inklusion, noch ein eigenständiges Recht auf Inklusion in der BRK gibt. Der Begriff taucht in der BRK in mehreren Zusammenhängen auf, etwa als allgemeines Prinzip, Artikel 3, oder als Bestandbedarfes Recht auf Bildung, Artikel 24, oder des Rechts auf Selbstbestimmtes Leben, Artikel 19. Heißt es nun dass es gar kein Menschenrecht auf Inklusion gibt? Nein, das heißt es nicht. Inklusion ist spätestens seit der BRK Bestandteil des Menschenrechts der Gleichheit. Das Recht auf Gleichheit ist einer der ältesten und fundamentalsten der Menschenrechte das in allen Menschenrechtsnormen zu finden ist. Es wurde aber nicht immer und zu allen Zeiten gleich interpretiert. Rechtshistoriker wie Michael Stolleis können faszinierend darstellen wie sich diese Menschenrechte über die Geschichte geändert hat, wie sich der Kampf für die Gleichheit auf immer mehr Teile der Bevölkerung ausdehnte und Differenzen und Identitäten immer detaillierter debattiert wurden. Für die Geschichte des Rechts auf Gleichheit behinderter Menschen steht eine genaue Erforschung noch aus, es lassen sich aber einige Schlagworte benennen: am Anfang steht formale Gleichheit, die vor allem Rechtliche Gleichbehandlung derer bedeutete der Behinderten bedeutete die der Normalität am stärksten anpassten. So dann entwickelte sich ein Verständnis von faktueller Gleichheit die sich auch mittelbare, strukturelle und institutionelle Diskriminierung in den Blick nimmt. Als nächste Stufe könnte man die Debatte über Chancengleichheit und Barrierefreiheit sehen. Nun haben wir mit dem Begriff von Inklusion ein Konzept von Gleichheitsrechten entwickelt das den Menschen nicht nur als autonomes Individuum begreift, sondern auch an seinen sozialen Bezügen. Das Recht auf Gleichheit ist also verletzt wenn Menschen aus den herkömmlichen Bezügen der Gesellschaft, der Bildung, dem Wohnquartier ausgeschlossen werden. Exklusion ist Verletzung des Menschenrechts auf Gleichheit die Inklusiv zu denken ist.

Nun komme ich zu meinem vierten Punkt: welche sind die Schlüsselbegriffe und Konzepte der BRK? Das Zauberwort der Inklusion habe ich schon genannt und diskutiert. Auch die anderen allgemeinen Prinzipien möchte ich nicht erneut aufgreifen, obwohl sie fraglos zu den Schlüsselbegriffen der Konvention gehören.

Die BRK ist aus völkerrechtliche-, menschenrechtlicher, entwicklungspolitischer und behindertenpolitischer Perspektive ein Vertrag mit viel Innovation, die sich mit Schlüsselbegriffen und Konzepten festmachen lassen, und ich möchte hier drei herausgreifen, die ich auf der Folie aufgeführt habe. Zunächst, das Menschenrechtsmodell von Behinderung. Der vielbeschworene Paradigmenwechsel der Behindertenpolitik durch die BRK markiert wird, wird oft als Wechsel vom medizinischen zum sozialen Modell von Behinderung beschrieben. Während das medizinische Modell, oder auch individuelles Modell genannt, die von Behinderung die körperliche, psychische oder kognitive Schädigung des Einzelnen in Blick nimmt, die es mit Diagnosen, Therapien und Förderungen begegnet , ist das Soziale Modell von Behinderung auf die äußeren, gesellschaftlichen Bedingungen gerichtet, die behinderte Menschen von äußern und diskriminieren. Das soziale Modell von Behinderung basiert auf die Erkenntnisse dass die weltweit desolate Lage behinderter Menschen weniger von individuellen Beeinträchtigungen, als vielmehr von Gesellschaftlich konstruierten Entrechtungen gesundheitlich beeinträchtigter Menschen zu erklären ist. Die wissenschaftliche Kritik am medizinischen Modell der Behinderung führte zu den Disability Studies, zunächst in den USA und in England, in Großbritannien und diese Disability Studies ist eine Disziplin die sich an anderen kritisch-konstruktivistischen Denkschulen orientier wie die Gender Studies, oder Critical Race Studies. Mittlerweile sind die Disability Studies auch hier in Deutschland angekommen, die Universität Köln hat mit Anne Waldschmidt, eine Professorin der Fakultät Heilpädagogik, meine Hochschule hat mit mir eine Professor für Recht and Disability Studies ganz bewusst nicht im Fachbereich Heilpädagogik, sondern im Fachbereich soziale Arbeit eingerichtet. Mehrere andere Hochschulen sind gerade im Besetzungsverfahren für Disability Studies Professoren in Deutschland und damit ist der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit den medizinischen Modell von Behinderung ein Institutioneller Rahmen bereitet. Dem sozialen Modell von Behinderung sind inzwischen weitere Modelle von Behinderung hinzugefügt worden. Anne Waldschmidt steht für das kulturelle Modell, während ich das menschenrechtliche Modell vertrete. Das rechtsbasierende menschenrechtliche Modell gewann im internationalen rechtswissenschaftlichen Kontext etwa seit den 1990er Jahren an Bedeutung. Dieser rechtsbasierende Ansatz ist als Gegenpol zu einer an Bedürftigkeit orientierten Fürsorge und Wohlfarthspolitik zu stehen, der Behinderte als Objekt der Sozialpolitik nicht als Bürgerrechtsobjekte gelten. Er entwickelte sich im Zuge der Entwicklung von Antidiskriminierungsgesetzen die weltweit seit den 1990er Jahren auch die Kategorie „Behinderung“ in den Blick nimmt. Der rechtsbasierende Ansatz in der Behindertenpolitik gilt auch als der offizielle Ansatz der Behindertenpolitik in der Europäischen Union, und in den Vereinten Nationen. Dieser rechtsbasierende Ansatz wurde nun durch die BRK kodifiziert. Das ist meine These, und zwar das sage ich obwohl des rechtsbasierende Modell weder im Text der BRK zu finden ist, noch kann man in der Verhandlungsgeschichte sagen, haben wir oft auf das Menschenrechtsmodell gezogen, sondern, ein ehrlicherweise muss ich zugeben, haben wir nur das soziale Modell von Behinderung beschworen. Also, es gab so während diese vier Jahre der Verhandlung so zwei Slogans die immer wieder wiederholt wurden. Der erste war „Nichts ohne uns über uns“, „Nothing without us about us“ und der andere Slogan war „Wir wollen weg vom medizinischen Modell von Behinderung, hin zum sozialen Modell von Behinderung“. Trotzdem behaupte ich das die BRK das menschenrechtliche Modell von Behinderung kodifiziert, und das möchte ich mit acht Thesen untermauern, und diese lauten:

  • Erstens, das soziale Modell von Behinderung erklärt lediglich wie Behinderung sozial konstruiert wird. Dahin gegen liefert das Menschenrechtsmodell die Werte auf denen eine Behindertenpolitik, die die Menschenwürde der behinderten Menschen respektieren muss. Nur das Menschenrechtsmodell kann erklären warum Menschenrechtsfähigkeit nicht die Abwesenheit von Behinderungen voraussetzt.
  • Zweitens, während das soziale Modell von Behinderung den rechtssozialen Rahmen für Behindertenpolitik der Antidiskriminierung und Bürgerrechte bietet, die wichtigsten, biete das Menschenrechtsmodell mehr, denn das Menschenrechtsmodell sagt „wir brauchen Bürgerrechte auf der einen Seite, aber wir brauchen soziale, wirtschaftliche und kulturelle Rechte auf der anderen Seite“.
  • Drittens, das soziale Modell wurde zu Recht für die Ignoranz gegenüber individuellen negativen Aspekten von Beeinträchtigungen kritisiert. Es gibt Behinderungen die mit Schmerz verbunden sind, Behinderungen können zu früherem Tod führen, oder auch zu beeinträchtigter Lebensqualität. Daran ändern wir nichts, auch wenn wir eine barrierefreie, inklusive Gesellschaft bauen. Das Menschenrechtsmodell von Behinderung erkennt diese Lebensumstände an und verlangt dass sie bei der Entwicklung der Rechtigkeitstheorien berücksichtigt werden. Ich beziehe mich hier auf den „Capacity Approach“ von Nussbaum und (Sen).
  • Viertens, das soziale Modell vernachlässigt Identitätspolitik als wertvolles Bestandteil von Behindertenpolitik. Das Menschendrechtsmodell von Behinderung bietet Raum für Identifikation mit verschiedenen Gruppen oder Lebensumständen, und das ist besonders wichtig für einige behinderte Gruppen, zum Beispiel gehörlose. Die haben ihre eigene Kultur, und die brauchen sie auch.
  • Fünftens, während das soziale Modell präventive Gesundheitspolitik als behindertenfeindlich kritisiert, damit ist gemeint eugensiche Selektion oder auch Diskriminierende Gesundheitspolitik wie „Schluckimpfung ist süß“, „Kinderlähmung ist grausam“, bietet das Menschenrechtsmodell den Maßstab für inklusive, präventive Gesundheitspolitik. Das steht in Artikel 25 BRK.
  • Sechste These: während das soziale Modell erklären kann warum 2/3 der weltweit eine Milliarde behinderter Menschen in Entwicklungsländern leben, bietet das Menschenrechtsmodell einen Fahrplan für die Veränderung der Internationalen Armutspolitik, und das steht in Artikel 32 BRK.

Ich will nicht meinen eigenen Vortrag befördern noch einmal diese sechs Thesen zu begründen, deswegen mache ich weiter mit meinem nächsten Schlüsselkonzept: Barrierefreiheit und angemessene Vorkehrung. Barrierefreiheit, accessibility; und angemessene Vorkehrung, „reasonable accommodation“ sind zwei schlüsselbegriffe die sich in den anderen Kernmenschenrechtsverträgen nicht befinden. Daher wurde bereits spekuliert ob die BRK nicht doch neue Menschenrechte ergriffen hat, obwohl wir jetzt das Gegenteil behauptet haben. Warum haben wir immer gesagt dass keine neuen Menschenrechte erschaffen werden sollen? Warum haben wir das immer wieder widerholt in den Verhandlungen? Dafür gab es zwei Gründe, also zumindest zwei Gründe. Zunächst war es höchst unwahrscheinlich dass die Mitgliedsstaaten der Vereinigten Nationen bereit gewesen wären neue Menschenrechte zu akzeptieren, also eine dritte oder vierte Generation zu akzeptieren. Die Debatte um Menschenrechte der dritten Generation, also Recht auf Frieden, Recht auf saubere Umwelt waren Anfang der 90er Jahre in den Misshandel verlaufen. Hinzukam der Anschlag in New York, 9/11, der dazu führte, und die damit der () Politik der Terrorismusbekämpfung hatte zu einer Destabilisierung oder Degradierung der Menschenrechtspolitik geführt: Sicherheitspolitik war auf einmal wichtiger als Menschenrechte. Damit fiel die Erstellung der BRK in eine Zeit der globalen Menschenrechts Desillusionierung. Der Boden für das Schaffen neuer Menschenrechtskonventionen war äußerst fragil. Also das war der erste Grund, sage ich damit, das klar war das keine neuen Menschenrechte akzeptiert werden Alles was wir erreichen konnten war das der Katalog der bereits entstehenden Menschenrechte auf Behinderung zugeschnitten wird. Dann gab es aber noch einen zweiten Grund. Jetzt habe ich gerade meinen Faden verloren, Entschuldigung. Der zweite Grund war ein Politischer Grund: die Schaffung neuer Menschenrechte hätte zu Sonderrechten für behinderte Menschen geführt, was der Integration behinderter Menschen in das Globale Menschenrechtssystem widersprochen hätte. Bereits in der Vergangenheit waren behinderte Menschen von der Tafel der Menschenrechte fern gehalten worden, die als andere Menschen, die Sonderrechte brauchten bezeichnet wurden. Dem gegenüber wurden wirkliche Universalität der Menschenrechte durch Personifizierung und Pluralisierung der Menschenrechte gefördert. Die dahinterliegende Philosophie der Desegregierung und Integration behinderter Menschen in der Mitte, also im Mainstream der Gesellschaft war für viele Akteure und Akteurinnen das entscheidende Motiv für die Beschwörung der Formel „Gegen neue Menschenrechte“. Obwohl ich eine Anhängerin dieser Philosophie der totalen Inklusion bin, möchte ich die Frage ob mit der BRK wirklich keine neuen Menschenrechte geschaffen wurden bewusst offen lassen. Wie die meisten Menschenrechtsverträge ist auch die BRK eine lebende Menschenrechtsquelle, deren Interpretation auch abhängig von Zeit und Ort ist. Den Zugang zu sauberem Wasser ist ein Beispiel dafür wie sich neue Menschenrechte nach langer Diskussion und Debatten entwickeln können und Akzeptanz finden können. Aber nun zurück zu den Schlüsselkonzepten: Barrierefreiheit und allgemeine Vorkehrung. Die bisher vor unserem Genfer Ausschuss vorliegenden Staatsberichte zeigen dass die meisten Mitgliedsstaate weder die unterliegenden Rechtsbegriffe, noch deren Unterschied verstehen. Angesichts der Tatsache dass die BRK keine klare Auskunft darüber gibt, ist das auch nicht erstaunlich. Auch sind die Begriffe weder in der Rechtswissenschaft, noch in der Rechtspraxis klar definiert. Oft ist es fraglich ob eine gewisse Maßnahme eine Maßnahme der Barrierefreiheit oder der angemessenen Vorkehrung ist. Die BRK selbst definiert die Begriffe „universalist design“ und angemessene Vorkehrung, aber nicht die Barrierefreiheit. Artikel 2 definiert „universalist design“ als, und jetzt zitiere ich: „Ein design von Produkten, Umfeldern, Programmen und Dienstleistungen in der Weise dass sie von allen Menschen möglichst weitgehend ohne eine Anpassung oder einen specialist Design genutzt werden können. Universalist Design schließt Hilfsmittel für bestimmte Gruppen von Menschen mit Behinderungen, soweit sie benötigt werden, nicht aus.“ Angemessene Vorkehrungen werden in der BRK wie folgt definiert: „Notwendige und geeignete Änderungen und Anpassungen, die keine unverhältnismäßige oder unbillige Belastungen darstellen, und die, wenn sie in einem bestimmten Fall erforderlich sind um zu gewährleisten das Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen alle Menschenrechte und Grundfreiheiten genießen oder ausüben können.“ Im Thema Barrierefreiheit ist mit Artikel 9 ein eigener Artikel gewidmet, der unter anderem als Zweck der Herstellung der Barrierefreiheit das Selbstbestimmte Leben und die volle Partizipation in allen Lebensbereichen von Menschen mit Behinderungen beschreibt. Außerdem wird als Ergebnis von Barrierefreiheit der gleichberechtigte Zugang zu physischer Umwelt, zu Transporten und zu Informationen und Kommunikation deklariert. Es folgt ein Katalog detaillierter Maßnahmeziele die Staate ergreifen müssen, um Barrierefreiheit im Sinne der BRK zu erreichen. Nach der BRK ist eine Verweigerung angemessener Vorkehrung eindeutig eine Diskriminierung, steht in Artikel 2, aber der Vertrag schweigt ob fehlende oder mangelnde Interpretierung von Artikel 9, also Barrierefreiheit, eine Diskriminierung darstellt. Beide Begriffe tauchen als Prinzipien in Artikel 3 auf, und beiden Begriffen wird ein eigener Artikel gewährt, gegeben. Artikel 9 und Artikel 5. Aber nur in Bezug zu Artikel 5, der nochmal „reasonable accommodation“ , angemessener Vorkehr eingreift kann man sagen „das enthält auf jeden Fall ein Menschenrecht, ein Subjektives Recht“. Warum? Weil Artikel 5 enthält das Recht auf Nichtdiskriminierung, auf Gleichheit, und wir alle wissen dass das Recht auf Gleichheit ein Menschenrecht ist, was selbstverständlich ein subjektives Recht ist. Und wenn sie den Text von Artikel 5 anschauen dann sehen sie dass es ein klarer, individualbezogener Text ist, also ein subjektives Recht enthält. Das ist nicht so bei Artikel 9, der bezieht sich mehr allgemein auf die Gruppe der Behinderten und mehr allgemein auf das Ziel „Herstellung von Barrierefreiheit“. () wissen wir das Barrierefreiheit eine Grundvoraussetzung für den Genuss vieler, wenn nicht aller Menschenrechte der BRK für viele behinderte Personen ist. Wenn zum Beispiel die Wahllokale nicht zugängig sind, und das Wahlsystem nicht zugängig ist, dann kann ich mein Recht auf Wahlfreiheit nicht wahrnehmen. Wenn zum Beispiel die Schulen und Universitäten nicht Barrierefrei zugängig sind, dann kann ich mein Recht auf Bildung nicht wahrnehmen, und ich könnte so weitermachen mit dem Recht auf A, mit dem Leben in der Gemeinde und so weiter und so fort. Insofern lässt sich Barrierefreiheit, wenn nicht sogar als subjektives Menschenrecht dann als Indikator für das Recht auf Gleichheit auf gleichberechtigten Menschenrechtsgenuss bezeichnet. Während hingegen der Begriff der angemessenen Vorkehrung als Wesensbestandteil des subjektiven Menschenrechts auf Gleichheit verstanden werden muss. Eine solche Interpretation würde nicht bedeuten dass es keine Staatenpflicht in Bezug auf Artikel 9 gibt. Artikel 9 enthält ganz klare Staatenpflichten, die man sich dort im einzeln angucken kann, aber man könnte auch vielleicht sagen, im Gegensatz zu Artikel 2, Nichtdiskriminierung wissen wir im Völkerrecht muss unbegehbar und sofort umgesetzt werden, während andere, insbesondere soziale, wirtschaftliche und kulturelle Rechte schrittweise umgesetzt werden können, und das könnte man vielleicht eher Artikel 9 jedenfalls insofern es um die Umsetzung sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Rechten handelt zuordnen.

So, als weiteren Unterschied zwischen Barrierefreiheit und angemessene Vorkehrung könnte der Adressatenkreis statuiert werden. Wenn gleich in der Praxis die gleiche Modifikation, oder hier mein niedriger Tisch als Maßnahme der Barrierefreiheit, wie auch als Maßnahme der angemessenen Vorkehrung bezeichnet werden kann, so kann doch bei Artikel 9 ein Gruppenbezug und in Artikel 2, also angemessene Vorkehrung, oder fünf, ein Bezug auf das Individuum festgestellt werden. Standards für Barrierefreiheit, wie etwa Türbreite, Aufzüge, Vorgaben für Websites, Internetseiten, bezwecken den Zugang für eine Gruppe von Behinderten, also blinde, gehörlose, Rollstuhlfahrer. Diese Standards sollen in der Regel unter Beteiligung von Behindertenverbänden entwickelt werden, und sie sind ihrer Natur nach abstrakt und antizipatorisch. Das heißt, sie werden in der Regel entwickelt und verabschiedet bevor ein behindertes Individuum Zugang begehrt. Dem gegen beziehen Maßnahmen der angemessenen Vorkehrung auf das Individuum, und sind ihrer Natur nach reaktiv. Sie setzen voraus dass ein bestimmtes Individuum sie braucht, und sie sind dem Individuum in einem bestimmten Verfahren ausgehandelt werden, und zwar zu eine Zeitpunkt zu dem diese Person, dieses behinderte Individuum Zugang begehrt. Die unterschiedliche Zielgruppe führt zu einem unterschiedlichen Prüfungsmaßstab, rechtlich. Während Pflichten zur Herstellung von Barrierefreiheit erfüllt sind wenn die ausgehandelten allgemeinen Regeln eingehalten werden, sind die Pflichten zur Gewährung von angemessener Vorkehrung erst erfüllt wenn die Bedürfnisse des Individuums erfüllt sind. Warum ist das so wichtig? Das ist so wichtig weil, bei der Gewährung angemessener Vorkehrung geht es ganz deutlich um Menschenwürde und Autonomie, was das einzelne Individuum braucht. Also, als Blinder kann ich nicht darauf verpflichtet werden einen Blindenhund zu nehmen. Ich kann mich auch für einen weißen Stock entscheiden. Ich kann aber nicht darauf verpflichtet werden eine Vorlesekraft einzusetzen. Vielleicht kann ich auch den Screen-Reader, den sprechenden Computer als angemessene Vorkehrung beantragen. Es ist deswegen so wichtig weil alle Maßnahmen und Standards für Barrierefreiheit immer notwendigerweise abstrakt und allgemein sein müssen. Das heißt, es werden immer bestimmte Behinderte nicht berücksichtigt werden können, Behinderte mit einer exotischen Behinderung, Schwerfach und Mehrfachbehinderte, Behinderte die es einfach anders machen als andere Blinde, oder andere Gehörlose, und dass muss zulässig sein weil die Menschenrechte nicht nur die Gleichberechtigung, sondern auch die Menschenwürde und die Autonomie umfassen. Während die Verletzung der Pflichten angemessener, bezüglich angemessener Vorkehrung immer eine Diskriminierung darstellt, für die Verletzung der Pflicht zur Herstellung der Barrierefreiheit, führt vielleicht zu einer Diskriminierung.

So, jetzt komme ich zu meinem letzten Punkt, ich habe ja auch nur noch fünf Minuten. Ich komme zum Thema „Implementierung“. Die BRK ist auch in diesem Bereich im Vergleich zu anderen Menschenrechtsverträgen besonders innovativ. Erstens hat sie nicht nur ein, sondern zwei Überwachungssysteme. Ein Internationales und ein Nationales. Auf internationaler Ebene haben wir den Ausschuss für die Rechte behinderter Menschen in Genf, und die Staatenkonferenz in New York. Beide bilden das internationale „Monitoring System“. Daneben müssen alle Mitgliedsstaaten ein nationales Monitoring System einrichten, und dazu hören wir Gauthier de Beco später, deswegen kann ich mich hier kurzfassen. Zweitens bezieht die BRK wie kein anderer Menschenrechtsvertrag die Gesellschaft in die Implementierung und Überwachung mit ein. An mehreren Stellen wird auf sie Bezug genommen. Bereits in der Präambel, Absatz O, wird der Partizipation behinderter Menschen an politischen Entscheidungsprozessen Gewicht beigemessen. Im Rahmen der Bewusstseinsbildung, Artikel Acht, werden die Staaten aufgefordert Fachkräfte der Behindertenhilfe in der BRK zu schulen. Im Rahmen der allgemeinen Umsetzungspflichten werden die Staaten verpflichtet Behindertenorganisationen zu konsultieren, und schließlich wird den Organisationen der Behindertenbewegungen auch der Nationalen Überwachung ein wichtiger Stellenwert eingeräumt. Drittens erlaubt die BRK nicht nur Staaten, sondern auch regionale Staatengemeinschaften den beitrat, Artikel 42.

Die EU ist im Dezember 2010 der BRK beigetreten, und dabei sind auch alle EU-Mitgliedsländer, unabhängig davon ob sie selbst schon ratifiziert haben, es fehlen ja noch drei, an die BRK gebunden. Die EU ist, die BRK wurde also Teil der EU Acquis Communautaire. Der Einfluss der BRK auf EU Behindertenpolitik und EU Behindertenrecht wurde bereits vor dem Beitritt der EU deutlich, nämlich an der Europäischen Behindertenstrategie 2010-2020. Deren Themen sind eindeutig die Themen der BRK. Aktuell, aber auch andere Einflüsse werden jetzt schon deutlich. Aktuell werden zum Beispiel die neuen Struktur für Ordnung für den Europäischen Sozialfonds und die EU Strukturfonds verhandelt. Es könnte sein, es ist zu erwarten dass darin ein Verbot der Verwendung dieser EU-Mittel für den Ausbau oder die Sanierung von Wohnheimen für behinderte Menschen verankert wird. Warum? Studien und ein aktuelles Rechtsgutachten haben ergeben dass der starke Ausbau von segregierenden Wohneinrichtungen für behinderte Menschen, Heime, in den vergangenen Jahren mit Hilfe dieser EU-Mittel finanziert worden, und dass ein derartiger Einsatz von EU-Mitteln rechtswidrig ist und über alles, der BRK widerspricht. Auch die Einrichtung eines Europäischen Monitoring Systems, hieß die Anforderung des Artikel 33 entspricht, wird eine spannende Herausforderung. Ich denke, dazu wird Gauthier de Beco vielleicht noch ein bisschen was erzählen.

Werfen wir zum Abschluss noch einen Blick auf die Weltkarte die anzeigt in welchen Ländern die BRK, beziehungsweise ihr Fakultativprotokoll unterzeichnet, beziehungsweise ratifiziert ist. Das Fakultativprotokoll erlaubt in den Dualbeschwerden und anderen Verfahren und kann von den Staaten die Mitgliedstaaten von der BRK werden wollen unterzeichnet werden, muss aber nicht. Auf der Karte sehen Sie die Welt in vier Farben. Rote Staaten haben die BRK und das Fakultativprotokoll ratifiziert. Dunkelblaue haben nur die BRK ratifiziert. Hellblaue haben die BRK und das Fakultativprotokoll unterzeichnet aber noch nicht verbindlich ratifiziert. Gelbe Staaten haben die BRK nur unterzeichnet. Nur die Grauen Staaten haben noch keinerlei Schritte unternommen der BRK beizutreten. Sie sehen dass diese Staaten in der absoluten Minderheit sind. Damit ist die BRK eine der wenigen Menschenrechtsverträge die von der Mehrheit der Staaten weltweit akzeptiert wird. Kein anderes Übereinkommen wurde in so kurzer Zeit von so vielen Staaten unterzeichnet. Wer die BRK heute noch als Hirngespinst einer kleinen ideologischen Minderheit disqualifiziert, hat die Weltpolitik nicht verstanden. Der Triumph des Menschenrechtsmodells von Behinderung ist damit normativ vollzogen. Wenn Sie sich nun noch selbst informieren wollen, dann habe ich hier auf der Seite ein paar Internetadressen angegeben: das Hohe Kommissariat für Menschenrechte der Vereinten Nationen hat eine spezielle Seite, dann unser Ausschuss der Vereinten Nationen für die Rechte der Menschen mit Behinderungen, die Nationale Monitoringstelle in Deutschland habe ich aufgeführt, dann selber habe ich einen Bericht aus Genf, also Newsletter den ich zweimal im Jahr herausgebe, der ist auch im Internet, und schließlich gibt es das, seit einigen Jahren, das European Yearbook of Disability Law. Inzwischen sind drei Bände erschienen und das ist meist auch eine sehr wichtige Quelle.

Danke für ihre Aufmerksamkeit.

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